„Fernhalteprämie“ – Zahlt Geisenfeld demnächst für Verzicht auf INVG-Fahrkarte?

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Geisenfelds Kämmerer nähme ganz schnell die stressige Gesichtsfarbe seines Verwaltungschefs an. In Anträgen fordert ihn die Mehrzahl der Bürger auf, entweder eine „Fernhalteprämie“ vom subventionierten öffentlichen Nahverkehr zu zahlen, oder man fahre ab sofort mit dem INVG. Kaufe die Fahrkarten jedoch nicht in Geisenfeld, sondern in Manching und vermindere so die städtischen Erlöse bei gleichzeitiger Ausweitung der Subventionen für den INVG.

Monatlich 100 Euro von der Stadt oder ich fahre statt mit meinem eigenen Auto mit dem INVG zur Arbeit„. So könnten die Drohbriefe lauten. Ganz clevere würden sogar monatlich 150 Euro fordern. Begründung für die zusätzliche Prämie: Sie nähmen eine weitere städtische Leistung nicht in Anspruch und würden nie mit einem der „Bürgerbusse“ fahren“!

Selbst unter Einbeziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bliebe obiges Beispiel ein starkes Beispiel für egoistische Bürgeransprüche.
Da ich auf eine staatliche / städtische Leistung verzichte, fordere ich Kompensation in Form einer Prämienzahlung.

In der Auswirkung vergleichbar läuft gerade die Debatte über das „Betreuungsgeld„.

Laut Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung sollen Familien für Kinder im zweiten Lebensjahr ab dem kommenden Jahr 100 Euro im Monat und ab 2014 für Zwei- und Dreijährige 150 Euro bekommen, wenn diese zu Hause betreut werden.

Update, Sonntag, 29.April:

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Wie „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe (Nr.18) berichtet, wird der Deal, mit dem die CDU das Betreuungsgeld retten will, „Teurer als bisher bekannt„.

Bekanntlich will Unionsfraktionschef Volker Kauder die Kritiker des Betreuungsgeldes in der CDU damit besänftigen, dass künftig Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, höhere Rentenansprüche gewährt werden.

„Nach internen Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums könnte -dieser Rentenanspruch- schon im Jahr 2013 mit bis zu 13,2 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

Zum Vergleich:

Das Betreuungsgeld selbst soll laut Haushaltsplan für 2014 maximal 1,2 Milliarden Euro kosten.“

 

Die SPD will prüfen, dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen, CSU-Parteichef Horst Seehofer machte deutlich, die Einführung der Leistung werde zur Existenzfrage für den Bestand der schwarz-gelben Koalition.

Die Wogen schwappen schier über und der sachliche Gehalt des Vorhabens scheint dabei weitgehend auf der Strecke zu bleiben.

Erstaunlicherweise wissen wir wenig über die pädagogische Qualität, die Kinder in Kindergarten- und Krippengruppen, in altersgemischten Gruppen oder in Kindertagespflege -und auch in ihren Familien- erfahren.

Fehlt doch „in Deutschland, wie in kaum einem anderen hoch entwickelten Land, das empirische Grundlagenwissen zum Einfluss der verschiedenen Bildungs- und Betreuungsformen und den moderierenden Faktoren für eine gelingende kindliche Entwicklung und Bildung„, stellt der „Cicero“ in seiner Mai Ausgabe fest.

Und verortet in seinem Titelthema „Moral-Standort Deutschland

die Gesamtheit seiner Einwohner als „Republik der Rechthaber„.

Wer hat recht?
 Betreuung zu Hause oder in der Kita 
Was sagt die Wissenschaft?

Vor diesem Hintergrund wurden am Donnerstag in Berlin die Ergebnisse einer Studie vorgestellt, die das Wissen darüber beträchtlich erweitert. Die „NUBBEK-Studie„, vereinigt sind darin mehrere Institute und Einzelwissenschaftler, stellt belastbares empirisches Grundlagen- und Anwendungswissen bereit, das gegebene und sich abzeichnende Verhältnisse und Fragestellungen wissenschaftlich durchleuchtet und mit diesem empirischen Wissen die Basis für die Gestaltung einer guten frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder und die Unterstützung von Familien in ihrer Erziehungsaufgabe erweitert.

Fazit der Autoren: Neben dem quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung muss auch die Verbesserung der pädagogischen Qualität weiter gehen.

Nach den Motiven befragt, die sie dazu bewegt hätten, ihr Kind schon vor seinem dritten Geburtstag „außer Haus“ betreuen zu lassen, nennen die Eltern ihre eigene Erwerbstätigkeit erst an zweiter Stelle. Die Mehrheit sieht durch die „außer Haus Betreuung“ vor allem einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Kindes.

Satire: Betreuungsgeld nur für Familien, die nachweisen können, dass sie es nicht brauchen.

Berlin, München (dpo) – Erst die Aufregung, als bekannt wurde, dass Hartz-IV-Empfänger nicht vom geplanten Betreuungsgeld profitieren sollen, und nun das: Aus Koalitionskreisen sickerte durch, dass der umstrittene Zuschuss überhaupt nur Familien zugutekommen soll, die glaubhaft nachweisen können, dass sie es partout nicht brauchen. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) präzisierte die Pläne … weiter auf  „Der Postillon

Ein Drittel der Befragten gab allerdings auch zu Protokoll, schlicht keinen Platz gefunden zu haben. Von „erzwungener Abstinenz“ spricht der Leiter der Studie, FU-Wissenschaftler Wolfgang Tietze.

Unter den jetzigen Bedingungen von Knappheit können die Familien ihr Wunsch- und Wahlrecht nicht ausüben.

Ist das Betreuungsgeld ein „Gebot der Fairness“, wie Kanzlerin Merkel betont? Oder zementiert es das Bild einer Familie, die es so nicht mehr gibt?

Bürgersicht“ hat nachfolgend einiges zum Für und Wider zusammengetragen.

NUBBEK-Studie / „Fragestellungen und Ergebnisse im Überblick“ / pdf

Erfahrungen aus Finnland, Norwegen und Schweden / pdf
(Friedrich-Ebert-Stiftung, Referat Westeuropa / 16 Seiten / deutsch)

CSU: Was wahr und was falsch ist / pdf

SPD: JA zu mehr Kinderbetreuung! NEIN zum Betreuungsgeld!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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